Liebe Tierfreunde, hier spricht der tierische Reporter Daniel G. Löwenstern. Heute befinde ich mich mitten im Dschungel Südostasiens. Mein Gesprächspartner ist ein eher ruhiger, unauffälliger Geselle. Um so mehr freue ich mich, dass es geklappt hat mit dem Interview mit einem Tapir.
L: Lieber Tapir, erzählen Sie uns bitte ein bisschen von ihrem Leben.
T: Oh, wo fange ich an. Wissen Sie, ich gebe selten Interviews. Um nicht zu sagen: Nie!
L: Um so mehr freue ich mich, dass unser Termin geklappt hat. Wo lebt denn ein Tapir so?
T: Das kommt drauf an. Ich selbst bin ja ein Schabrackentapir. Ich lebe im Dschungel Südostasiens. Ich habe aber auch Verwandte in Südamerika. Der Bergtapir beispielsweise lebt in Kolumbien und Ecuador.
L: Was unterscheidet Sie noch von anderen Tapiren?
T: Die Größe beispielsweise. Ich selbst bin zweieinhalb Meter lang und wiege satte 350 Kilo.
L: Beachtlich! Gibt es weitere Unterschiede?
T: Meine schicke Färbung. Klassisch schwarz weiß.
L: Ist mir auch schon aufgefallen. Ich dachte schon, Sie besuchen später noch die Oper.
T: Nein, nein, Tapire gehen nicht in die Oper. Wir sind Einzelgänger. Und wir haben andere Hobbys.
L: Zum Beispiel?
T: Schwimmen! Ich brauche immer einen Fluss oder ein anderes Gewässer in der Nähe, in dem ich mich abkühlen und am Ufer nach Nahrung suchen kann. Und ich LIEBE Schlammbäder!
L: Sie können schwimmen?!
T: Tapire sind ausgezeichnete Schwimmer, vor allem wir Schabrackentapire natürlich.
L: Neben Ihrer schicken Färbung fällt mir noch etwas an Ihnen gleich ins Auge.
T: Was meinen Sie?
L: Ihre, darf man das sagen, ausgeprägte Schnauze.
T: Schnauze, darf man sagen. Warum denn nicht?!
L: Sie ähnelt einem kurzen Rüssel.
T: Ja, ganz weich und sehr empfindlich. Viele Menschen glauben deshalb, wir Tapire seien mit Wildschweinen verwandt. Sind wir aber nicht!
L: Sondern?
T (macht sich ein wenig größer): Mit den Nashörnern!
L: Aber ohne Horn!
T: Ein Glück! Sonst wären auch wir unseres Lebens nicht mehr sicher, weil ein paar Idioten scharf auf unsere Hörner wären. Das Leben eines Schabrackentapirs ist auch ohne Horn hart genug!
L: Viele Fressfeinde?
T: Die sind überschaubar. Jaguar, Krokodil, so was. Aber wir Tapire sind stets gut getarnt. Im Dschungel sind wir so gut wie unsichtbar. Und wenn es gar nicht anders geht, dann laufe ich weg! Auch wenn ich ein bisschen, sagen wir, vollschlank erscheine und relativ kurze Beine habe, bin ich ganz schön schnell, wenn es sein muss.
L: Wie schnell?
T: Schneller, als ich aussehe!
L: Das heißt?
T: So 50 km/h sind schon drin!
L: Der reinste Kugelblitz. Obacht in Tempo 30 Zonen!
T: Wie bitte?
L: Äh, nichts. Noch mal zurück zu ihrer Schnauze, also, Ihrem Rüssel ...
T: Mein wichtigstes Werkzeug!
L: Erzählen Sie!
T: Der Rüssel ist ja eigentlich nichts anderes, als Nase und Oberlippe, die zusammengewachsen sind. Evolution, Sie wissen schon.
L: Interessant! Sie sagten Werkzeug?
T: Ja, mein Rüssel sieht ja nicht nur extrem elegant aus. Er ist extrem elastisch und über und über mit feinsten Tasthaaren besetzt. Unschlagbar bei der Futtersuche vor allem, weil wir Tapire ja nachtaktiv sind. Aber nicht nur beim Ertasten erfüllt der Rüssel seinen Zweck. Er ist außerdem ein fantastisches Greifwerkzeug, mit dem ich Blätter und Früchte abreißen kann.
L: Was futtern, ich meine, was fressen Sie denn so?
T: Ich bin ein reiner Pflanzenfresser.
L: Das klingt sehr gesund! Wie alt werden Sie?
T: Gute dreißig Jahre sind schon drin, aber ...
L: Aber was?
T: Nun ja, mein Lebensraum wird kleiner und kleiner. Die Menschen roden die Regenwälder und nehmen wenig Rücksicht. Darum sind meine Verwandten und ich leider alle vom Aussterben bedroht.
L: Krokodil und Jaguar sind also nicht Ihre größten Feinde?!
T: Nein, ich muss es leider so offen sagen: der größte Feind der Tapire ist der Mensch! Nicht persönlich gemeint.
L: Das tut mir leid. Was können wir Menschen tun? Also Gutes!
T: Lasst uns einfach unseren Platz zum Leben und das bedeutet vor allem: holzt den Dschungel nicht ab. Tapire haben genauso ein Recht auf ein schönes Leben wie die Menschen!
L: Da haben Sie natürlich recht! Ein schönes Schlusswort! Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, meine Fragen zu beantworten. Ich wünschen Ihnen alles Gute und eine wilde Zeit im Regenwald.
T: Vielen Dank. Es hat mich sehr gefreut. Ihnen auch alles Gute!
Text und Illustration: Oliver Kock